NS-belastete Straßennamen in Leoben
Experten prüften und fanden drei Problemfälle. Diese werden mit Zusatztafeln versehen.
Leoben, 10.04.2018
Straßennamen näher untersucht
Auf Anregung des Bundes Sozialistischer FreiheitskämpferInnen, Opfer des Faschismus und aktive AntifaschistInnen, Landesorganisation Steiermark, der ÖVP Kameradschaft der politisch Verfolgten und Bekenner für Österreich, des KZ Verbandes Steiermark und der Jüdischen Gemeinde Graz wurden im vergangenen Jahr die Straßennamen von Leoben näher untersucht.
Drei problematische Benennungen
Von den insgesamt 249 Straßenbenennungen in Leoben leiten sich lediglich drei Straßennamen von „nationalsozialistisch belasteten“ Persönlichkeiten her. Dabei handelt es sich um die beiden Literaten Ottokar Kernstock und Hans Kloepfer, nach denen 1951 in Leitendorf Gassen benannt wurden, sowie um den Maler Friedrich Mayer-Beck, 1988 Namenspate einer Straße im Siedlungsgebiet von Göß. Kernstock und Kloepfer wurden aktuell auch von der im Auftrag der Stadt Graz seit 2014 tätigen Historikerkommission als „sehr problematisch“ eingestuft.
Erläuterungstafeln für eine bewusste Erinnerungskultur
Die Stadt Leoben hat sich daher entschlossen, nunmehr Erläuterungstafeln zu den Namenspaten anbringen zu lassen, die ihre problematische Biografie thematisieren. „Im nächsten Gemeinderat wird dazu der entsprechende Antrag eingebracht werden. Zudem werden wir auch einen Antrag auf Aberkennung der Leobener Ehrenbürgerschaft von Josef Freudenthaler einbringen, der den Nationalsozialismus wiederholt verherrlichte. Es ist der klare Auftrag jeder verantwortungsbewussten Gesellschaft – im Sinne kommender Generationen – eine bewusste Erinnerungskultur zu pflegen. Mit den Erläuterungstafeln schaffen wir im öffentlichen Straßenraum neue Denkmäler gegen das Verdrängen und Vergessen“, erklärt Bürgermeister Kurt Wallner.
Opferverbände zeigen sich einverstanden
„Die Opferverbände ersuchten ursprünglich die Straßen umzubenennen, wie dies andere Gemeinden wie Wien oder Mürzzuschlag in gleichgelagerten Fällen getan haben. Mit den vorgeschlagenen, historisch stimmigen Erläuterungstafeln sind sie aber ebenfalls einverstanden. Erläuterungen haben den Vorteil, dass belastete Personen aus dem kollektiven Gedächtnis nicht verschwinden, sondern sich die Menschen mit ihrer – einer freien und demokratischen Gesellschaft abträglichen – Biographie auseinandersetzen“, sieht der Zeithistoriker Werner Anzenberger in der Anbringung von Zusatztafeln eine passende Maßnahme.
Texte in Kooperation erstellt
Die Texte zu Kernstock und Kloepfer wurden von Prof. DDr. Werner Anzenberger und von Dipl.-Ing. Dr. Alfred Joham in Kooperation mit Dr. Karin Gradwohl-Schlacher und Dr. Uwe Baur von der „Forschungsstelle Österreichische Literatur im Nationalsozialismus“ an der Karl-Franzens-Universität Graz erstellt. Zur Biografie von Friedrich Mayer-Beck konnte auf Literatur zur Kunst im Nationalsozialismus von Herbert Lipsky (Kunst einer dunklen Zeit, Graz 2010) und den Ausstellungskatalog „Die Kunst der Anpassung, Steirische KünstlerInnen im Nationalsozialismus zwischen Tradition und Propaganda“ zurückgegriffen werden.
Schattenseiten in den Biografien
„In der Biografie mancher Persönlichkeiten, nach denen Straßen in Leoben benannt wurden, gibt es auch Schattenseiten. Es ist wichtig und richtig, dies zu dokumentieren, auch als mahnendes Gedenken an hoffentlich nicht wiederkehrende Zeiten“, begründet Alfred Joham, Leiter des Referats Raumplanung und Stadtvermessung der Stadt Leoben, die gesetzten Schritte.
Aberkennung der Ehrenbürgerschaft
Im Rahmen der Arbeiten zur NS-Zeit in Leoben tauchte auch wiederholt der Name Josef Freudenthaler (1874–1955) auf. Freudenthaler war fast drei Jahrzehnte Lehrer in Leoben und Lokalhistoriker. Der „berüchtigte“ zweite Teil seiner Stadtgeschichte „Eisen auf immerdar“ erschien Ende 1938. Darin rühmte sich Freudenthaler „eines der ältesten Parteimitglieder im Kreise zu sein“ und verherrlichte den Nationalsozialismus. In seinem selbstverfassten Lebenslauf, der nunmehr von Alfred Joham aufgefunden wurde, beschrieb er ausführlich seine nationalsozialistische Einstellung. Besonders betonte Freudenthaler, Parteimitglied der NSDAP seit 1927, das ihm „als Lehrer und Erzieher eine desto wirkungsvollere Möglichkeit gegeben, die empfängliche Jugend für alles Völkische zu begeistern“.
Anlässlich seines 80. Geburtstags wurde Freudenthaler 1954 Ehrenbürger der Stadt Leoben und der Montanuniversität. Im nächsten Gemeinderat wird ein Antrag auf Aberkennung der Leobener Ehrenbürgerschaft von Josef Freudenthaler eingebracht.
Erläuterungen zu den belasteten Straßennamen:
Ottokar Kernstock (1848 Marburg/Maribor – 1928 Festenburg bei Vorau)
Priester und Lyriker (u.a. Aus dem Zwingergärtlein 1901)
Problematisch in seiner Biografie:
Mit seinen deutschnationalen Gedichten genoss er große Popularität und wurde zum gefeierten Vorläufer der nationalsozialistischen Lyrik, nicht nur in Österreich. Im Ersten Weltkrieg verband sich seine blutrünstige Kriegsdichtung mit offenem Rassismus und heftiger Slawenfeindlichkeit, gut zu beobachten in dem gemeinsam mit Peter Rosegger herausgegebenen Steirischen Waffensegen von 1916: „Steirische Holzer, holzt mir gut/Mit Büchsenkolben die Serbenbrut! … Steirische Winzer, preßt mir fein/Aus Welschlandtrauben blutroten Wein“.
Seine 1919 gedichtete Österreichische Volkshymne, wurde von 1929 bis zum „Anschluss“ 1938 als Bundeshymne verwendet und diente der Propaganda der österreichischen Diktatur. Zudem verfasste er 1923 das vielfach propagandistisch genutzte Hakenkreuzlied für die Ortsgruppe der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei in Fürstenfeld.
Hans Kloepfer (1867 Eibiswald – 1944 Köflach)
Arzt, Volkskundler und Mundartdichter (u. a. Gedichte in steirischer Mundart 1924)
Problematisch in seiner Biografie:
Durch die Herkunft aus einer Grenzregion deutschnational orientiert, stand er dem Nationalsozialismus nahe. Er avancierte im Dritten Reich zu einem der bekanntesten Autoren aus Österreich und war mit einschlägigen Gedichten in vielen nationalsozialistischen Publikationen vertreten, vielfach ausgezeichnet vom NS-Regime. Seine Werke erfreuten sich vor allem im regionalen Bereich großer Beliebtheit, so z. B. das Gedicht Steirischer Bergbauerngruß, eine Huldigung an Hitler: „Schreibm tuat er si Hitler, und uns so guat gsinnt, wia ma weit in der Welt net an Liabern wo findt“. Den Untergang des NS-Regimes erlebte Kloepfer nicht mehr, er verstarb am 27. Juni 1944 in Köflach und an seinem Grab ließen Adolf Hitler sowie Propagandaminister Joseph Goebbels Kränze niederlegen. Er gilt als der „aktivste Bekenner unter den bekannten steirischen Schriftstellern“.
Friedrich Mayer-Beck (1907 Wien – 1977 Leoben)
Akademischer Maler und Lehrer
Problematisch in seiner Biografie:
Er stellte seine grafische Begabung vorbehaltlos der nationalsozialistischen Propaganda zur Verfügung. Bekannt ist seine Plakatserie Herr Semperer und Frau Keppelmeier, eine „Propagandaaktion gegen Gerüchtemacher und Meckerer im Gau Steiermark“ 1941/42. Auch gestaltete er den „steirischen Mandlkalender“ im Sinne des Nationalsozialismus zum Neuen Bauernkalender um, wobei wesentliche Erinnerungstage des Regimes und des Krieges anstelle der Heiligengedenktage festgehalten wurden. Gleichzeitig nahm er nicht nur an fast allen Ausstellungen der „Kameradschaft steirischer Künstler und Kunstfreunde“ – nach Eigendefinition die „Zusammenfassung von Kunstfreunden und Kunstschaffenden aller kulturellen Zweige in einer einzigen streng nationalsozialistisch ausgerichteten Kameradschaft“ – teil, sondern betätigte sich auch organisatorisch im Ausschuss dieser Kameradschaft.
Fotokennung: Foto Freisinger, honorarfrei abzubilden
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